Menschen und Menschlichkeit machen den Unterschied

Setzen Sie Ihre nicht digitalisierbare Superpower ein: Menschliches Einfühlungsvermögen, Freundlichkeit und Aufmerksamkeit basierend auf Kundendaten.

20. Dezember 2022
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Marketingpapst Professor Dr. Gerhard F. Riegl – Spitzname »PowerRiegl« – hat in seinem Hauptvortrag auf dem diesjährigen Dialog erneut gezeigt, warum er seinen Spitznamen zu Recht trägt. Das waren 1,5 Stunden geballte und zielgerichtete Informationen, die der Patientenforscher in einer Kernaussage zusammenfassen kann: »Menschliche Kundenerlebnisse werden zum wichtigsten Wettbewerbs­alleinstellungs-Merkmal in Apotheken.«

Gerade jetzt in der »multimorbiden« Krise wird sich die Spreu vom Weizen trennen, so Riegl, denn: »Nur wer einzigartig, unverzichtbar und unaustauschbar ist, wird trotzdem erfolgreich sein.« Der Erfolgstreibstoff dafür heißt Menschlichkeit. Denn das kann nicht digitalisiert werden. Die digitalen Größen täuschen mithilfe von Daten Menschlichkeit und Nähe vor, indem Sie auf die emotionalen Bedürfnisse der Menschen eingehen. »Das heißt wiederum, Apotheken müssen menschlicher sein als die digitalen Größen! Noch freundlicher als die Apple-Watch, die einen lobt, wenn man genug Schritte gegangen ist.«

The Power of Empathy

Wie schafft man das? Durch Kundenwissen, erklärte der bekannte Gesundheitsanalyst: »Zum Loben und Komplimente machen braucht man persönliche Daten. Durch Daten können Sie achtsamer werden. Wenn Sie nichts über Ihre Kunden wissen, noch nicht mal den Namen, können Sie ihnen auch nicht menschlich nah sein.« Daten stecken laut Riegl in der völlig falschen Schublade – in der Technikschublade. Kunden bestehen nicht nur aus Medikationsdaten. »Apothekeninhaber schauen zu wenig in den Kopf ihrer Kunden wie sie ticken und zu viel aufs Rezept.« Die Menschen verändern sich schneller als die Apotheken, das heißt, Apotheken müssen sich an die Menschen anpassen.

Die neue Währung heißt: Erlebnis + Vertrauen

»Kunden sind verkrampft, denn Sie wollen mehr feilschen. Ein Patient dagegen fühlt sich sicher. Wer von beiden hat eher die Spendierhosen an?«, fragte der Wissenschaft­liche Direktor des Instituts für Management im Gesundheitsdienst in Augsburg. Apothekeninhaber besitzen eine starke Vertrauensposition bei den Menschen. Die Trends der egozentrischen Ich-Orientierung, Individualisierung und Hyper-Personalisierung machen es jedoch unumgänglich, eine noch persönlichere Ebene zu betreten und dafür spezifische einfühlsame Daten zu nutzen. Denn: »Als reine Abgabestelle für Medikamente werden Sie substituiert.«

Daten sind das neue Gold

Derzeitige menschliche Bedürfnisse und Ziele, wie Anti Aging, Glück und Selbst-Optimierung müssen aufgegriffen und in persönliche Empfehlungen und Erlebnisse umgesetzt werden. Daten sind dafür das neue Gold. »Vor-Ort-Apotheken können nicht trotz Digitalisierung, sondern dank hinweisgebender Kundendaten empathisch ertüchtigt werden. Das gilt sogar für Pharmazeuten«, so Riegls augenzwinkernde Einschätzung.

Click & Meet statt Click & Collect

»Bieten Sie das, was mit Geld nicht zu kaufen ist: Pure Menschlichkeit und Kundenwertschätzung. Alles, was auch Roboter erledigen können, sollten Sie für Ihre Zeit mit Ihren Kunden nutzen, um noch menschlicher zu sein.« Mehr Kundenempathie verbreiten, Daten sammeln und einsetzen und zum Kundenversteher statt nur zum Pharmazieversteher werden: Die Beziehungsqualitäten werden wichtiger als die fachliche Kompetenz. Die Frage dabei sollte sein: Wie kann ich polygame Kunden zu monogamen Kunden machen? »Das Gefühlserlebnis macht den Unterschied. Nicht durch Äußerlichkeiten, sondern durch Liebenswürdigkeit und Menschlichkeit fallen Sie noch mehr auf«, so Riegl. »Begeisterung macht Sie zur Marke.«

»Daten sind die Gefühle von Patienten«

Den »Daten-Analphabetismus« müssen Apotheken schnellstmöglich ablegen, denn mit Kundendaten kann man nicht nur zum Geburtstag gratulieren, sondern für ein rundum befriedigendes Kundenerlebnis sorgen. Kunden befragen, zuhören, Fragebögen verteilen und auswerten, Daten sammeln, Informationen zur klugen Selbstorientierung geben, auf die Körpersprache achten und mit Empathie, Mitgefühl und Achtsamkeit eine tiefere Verbindung herstellen – das macht bloße Kunden zu Fans. »Gefühle steuern das Denken, nicht umgekehrt. Erst wird gefühlt, dann gedacht«, erläuterte Patientenversteher und Speaker Prof. Dr. Riegl. »Und das passiert schon in den ersten Sekunden beim Betreten der Apotheke.«

Interviewfragen an Prof. Dr. Gerhard F. Riegl

Liebe im Sinne von Achtsamkeit, Wertschätzung und Einfühlsamkeit macht unbesiegbar erfolgreich. Das ist nicht nur als Altruis-mus oder als Sozialträumerei zu verstehen, sondern als hochwirksamer guter Einfluss auf Kunden und auf Mitarbeiter. Da be-kommt man etwas zurück. Empathie gilt inzwischen als die wichtigste Qualität der Zivilgesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Es ist der eigentliche Knackpunkt, wie man eine positiv gestimmte, glücklich machende Kettenreaktion auslöst. Dafür gibt es be-währte Framing- und Flow-Methoden, etwas aus neuer positiveren Perspektive zu sehen und eine Win-Win-Kaskade mit aufge-schlossener Zuwendung auszulösen. Maschinenlesbarkeit und Messbarkeiten von menschlichen Signalen ertüchtigen nicht trotz, sondern dank Digitalisierung empathische Muskeln von Apotheken-Teammitgliedern. Wenn es funktioniert, Kunden-Zuwendungen aus der Ferne, z.B. von Kalifornien oder von Onlineversendern vorzutäuschen, dann könnte die reale Begegnung in der Offizin datengestützt noch viel menschlicher und zuwendungsorientierter mit Leben erfüllt werden.

Dafür hat die berühmte Harvard Professorin Amy Cuddy den Slogan geprägt: «Fake it until you become it”. Selbst Autisten kön-nen heute hinweisgebend durch digitale Hilfsmittel empathisch aufgerüstet werden. Ich freue mich auch, wenn ich von einer fremden Stewardess mit meinem Namen gefragt werde, welches Getränk ich wünsche, obwohl sie natürlich einen Spickzettel mit meinem Namen am Bedienungswagen hat. Selbst Trump hat im Weißen Haus einen Notizzettel bekommen, seine Besucher mehr zu fragen.

Die wichtigste Energie-Quelle ist das, was man gerne macht, und wenn man seinen Beruf, bei allen Herausforde-rungen, irgendwie positiv sieht, kann man auch bei harter Arbeit auftanken. Ich habe die Wahl, schon beim frühen Joggen am Morgen nur an das Negative des Tages zu denken und mich herunterziehen zu lassen oder mich mit positiven Eindrücken und Gedanken zu stimulieren und belastbarer zu machen.

  • Prof. Dr. Gerhard F. Riegl

    Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Management im Gesundheitsdienst Augsburg