Neue Bundesregierung – Was ist drin für die Apotheken?

Nach zwölf Jahren Stillstand steht für die Apotheken vor Ort eine deutliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen ins Haus.

11. Juni 2025
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Nun ist sie da, die neue Bundesregierung. Mit ihr verknüpfen sich viele Hoffnungen des Berufsstandes auf eine nachhaltige Besserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Apotheke, aber auch auf neue Möglichkeiten der Teilhabe an der Gesundheitsversorgung. Und hier lässt sich nicht nur von Hoffnungswerten sprechen. Vielmehr enthält der Koalitionsvertragder schwarz-roten Regierung einen ganzen Abschnitt mit Programmsätzen zur Struktur und Honorierung der Apotheken, zu ihrem Leistungsangebot und ihrer Rolle sowie im Hinblick auf den Abbau von Bürokratie und ihre Stellung im Wettbewerb.

Die Formulierung dieser Sätze im Indikativ zeigt, dass die Koalition hier einen klaren Handlungsbedarf sieht und anzugehen bereit ist. Auch die Besetzung der neuen BMGSpitze mit Nina Warken, Tino Sorge und Georg Kippels lässt es bei allen Unwägbarkeiten wahrscheinlich erscheinen, dass diese Pläne auch größtenteils umgesetzt werden.

Struktur

Die Koalition bekennt sich zum Erhalt des Fremdbesitzverbotes und damit gegen eine Kettenbildung. Apotheken insbesondere im ländlichen Raum sollen gestärkt werden.
Als Mittel hierfür sieht man zunächst einen jährlichen Betrag von 75 Mio. Euro vor, der aus dem (nicht ausgeschöpften) GKV-Finanztopf für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) abgezweigt werden soll.

Honorar

Deutlich relevantere Beträge sollen den Apotheken über die erste Erhöhung des Fixhonorars seit 2013 von derzeit 8,35 Euro auf 9,50 Euro zufließen: Eine Durchschnittsapotheke
mit einem jährlichen Absatz von etwa 46 000 Rx-Packungen würde hierdurch knapp 53 000 Euro mehr Rohertrag erzielen, Großstadt- und Landapotheken mit knapp 52 000 Euro im Schnitt in ähnlicher Größenordnung. Aber auch umsatzschwache Apotheken hätten mit etwa 30 000 Euro einen deutlich verbesserten Rohertrag. Im Hinblick auf weiter steigende Kosten würden diese Summen sich absehbar nicht vollständig im Betriebsergebnis niederschlagen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Kostenzuwachs überwiegend bereits durch das generische Rohgewinnwachstum (Demografie, Preisanpassungen der Hersteller, Trend zu höherpreisigen Arzneimitteln) getragen werden könnte. Das gilt aber nur bei einem moderaten Anstieg des Mindestlohns und in der Folge des Apothekentarifs. Eine schnelle Anhebung auf die von der SPD angestrebten 15 Euro dagegen würde Tarifforderungen befeuern die erhebliche Teile des Rohgewinnzuwachses aufzehren könnten.

Umso wichtiger die Frage: Kommt hier noch etwas »on top«? Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass in Abhängigkeit vom »Versorgungsgrad« das Fixum in einem Korridor bis zu 11 Euro betragen könne und hat hier wohl vor allem ländliche Apotheken im Auge. Gerechnet wird im Arbeitspapier der AG Gesundheit offenbar im Mittel mit 0,50 Euro über alle Packungen bei aber ungleicher Verteilung. Nun wäre der Aufbau eines Verteilungsmechanismus nach Versorgungsgrad aber alles andere als zielgenau, verteilungsgerecht und veränderungsresistent im bestehenden System mit unbeschränkter Niederlassungsfreiheit und ohne Bedarfsplanung. So werden Landapotheken mit weiträumiger Alleinlage und gutem Arztumfeld meist keinen besonderen Förderbedarf haben. Fehlt es dagegen an Ärzten, fehlt es auch an Verordnungen, über die ein erhöhtes Fixum Wirkung entfalten könnte. Auch würde eine Aufhebung der Gleichpreisigkeit einen Steuerungsanreiz für die Krankenkassen setzen – hin zu »billigeren« (Stadt-) Apotheken. Es spricht daher viel mehr für den Ansatz einer auch vom Deutschen Apothekerverband (DAV) vorgeschlagenen »Grundkostenpauschale«: Hier erhalten alle Apotheken für die ersten
15 000 oder 20 000 Packungen einen Zuschlag aus einem Fonds nach dem Vorbild des Nacht- und Notdienstfonds. Dieser Fonds speist sich aus einem Aufschlag von 0,50 Euro, der auf jede abgegebene Rx-Packung erhoben wird. Diese so je Betriebsstätte zusätzlich verteilten gut 20 000 Euro Rohertrag hätten für kleinere und mittlere Apotheken eine
überproportional stabilisierende Wirkung und würden ihre größenbedingten Effizienznachteile etwas ausgleichen. Das bedeutete eine Standortsicherung für Filialapotheken mit typbedingt höheren Personalkosten, ebenso für ertragsschwächere Einzelapotheken.

Nachhaltig wird diese Lösung aber erst, wenn – wie geplant – statt jahrelangem Stillstand die Dynamisierung des Honorars regelmäßig zwischen Apotheken und Kassen ausgehandelt wird. Hier wird die Gestaltung der Anpassungsregelung entscheidend: Klare Kriterien wie vor allem die Kostenentwicklung in den Apotheken beziehungsweise die ergänzende Orientierung an Indizes sind notwendig.

Leistungsangebot und Rolle

Das niedrigschwellige Angebot von Apotheken als »erster Anlaufstelle« soll weiter ausgebaut werden. Genannt werden Strukturen für Prävention in Vor-Ort-Apotheken. In der
Schublade liegen aus Zeiten der Vorgängerregierung noch die Ausweitung der Impfmöglichkeiten auf alle relevanten Totimpfstoffe sowie die Durchführung von Schnelltests. Für solche Leistungen sollen im ersten Schritt 25 Mio. Euro per annum aus dem pDL-Topf fließen. Der entscheidende Punkt wird wie bei allen zusätzlichen Leistungen die Frage sein, ob sich hier angemessene Honorare werden durchsetzen lassen. Grundlegenderes Veränderungs- aber auch Konfliktpotenzial liegt in der »Entwicklung des Apothekers zum Heilberuf«. Gemeint ist hier wohl die Übernahme weiterer heilberuflicher Aufgaben, um die Arztpraxen zu entlasten und zugleich kostendämpfend im System zu wirken. Dazu kann unter Umständen die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Verordnung in bestimmten Fällen zählen oder auch erweiterte Kompetenzen im Zusammenhang mit der Therapie von Bagatellerkrankungen. Auf diesem Feld steht eine intensive Diskussion mit der Ärzteschaft ins Haus. In der Politik ist durchweg eine Bereitschaft zu erkennen, den Apotheken mehr zu ermöglichen. Damit werden die Erwartungen zunehmen, dass hier auch seitens der Apothekerschaft korrespondierende Leistungsversprechen abgegeben werden.

Wettbewerb

Jedenfalls kurzfristig liegt größeres wirtschaftliches Potenzial in der angekündigten Aufhebung des »Skonti- Verbotes«, Die Koalitionäre taxieren es mit etwa 15 000 Euro je Apotheke. Ob sich nach Freigabe aber die Konditionen- Verluste nach dem Skonto-Urteil des BGH wieder ausgleichen lassen, darf man mit einem Fragezeichen versehen: Immerhin muss auch der Großhandel Kostensteigerungen hinnehmen, gerade der Mindestlohn dürfte hier in der Logistik kein kleines Thema sein. – Ebenso spannend wird es im Hinblick auf die Versandhandels-Konkurrenz, was die Themen Kühlketten und Nachweispflichten angeht. Hier schwebt der Koalition die Aktivierung eines früheren FDPAnsatzes vor: Die Durchsetzung gleicher Wettbewerbsvoraussetzungen in diesem für die Qualitätssicherung der Versorgung maßgeblichen Punkt. Dabei geht es weniger um ein grundlegend neues Regelwerk als vielmehr um die praktische Durchsetzung mit wirksamen Kontrollen. Sollte der Koalition das gelingen, kann das für den Versandhandel durchaus empfindliche Mehrkosten bedeuten und sein Wachstum zumindest dämpfen – zugunsten der Vor-Ort- Apotheken.

Bürokratie

Auch unter dieser Überschrift findet sich einiges, was Apotheken vor Ort substanziell entlasten kann: Null-Retaxationen aus formalen Gründen abzuschaffen kann, zumindest
solange viele Hochpreis-Arzneimittel noch »analog« verordnet werden, Risiken nennenswert reduzieren. Erleichterungen bei der Abgabe und dem Austausch von Arzneimitteln vermindern aufwändige Nachfrage-Schleifen in den Arztpraxen und können damit wertvolle Arbeitszeit für die Versorgung frei machen. Ebenso kann die Abschaffung

Fazit

Endlich eine Perspektive! Nach zwölf Jahren Stillstand steht für die Apotheken vor Ort eine deutliche Verbesserung ihrer wirtschaftlichen wie regulatorischen Rahmenbedingungen ins Haus. Die Aussichten haben sich mit Koalitionsvertrag und neuer Bundesregierung deutlich aufgehellt. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, dass die Pläne sehr zügig umgesetzt werden, um das Apothekensterben zu stoppen und auch ein Signal an den pharmazeutischen Nachwuchs zu senden, dass in der Selbstständigkeit mit Apotheken wieder mehr Chancen liegen.

Die drei wichtigsten Steuerpläne für Apotheken

  • Degressive Abschreibung: Es wird eine degressive Abschreibung auf »Ausrüstungsinvestitionen« von 30 Prozent in den Jahren 2025, 2026 und 2027 eingeführt. Das soll Investitionen anregen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen stärken, insbesondere in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Die »Turboabschreibung« gilt für Investitionen, die in den genannten Jahren getätigt werden. Dazu sollten Sie wissen, dass der Begriff »Ausrüstungsinvestition« so im Steuerrecht bis jetzt nicht vorhanden und definiert ist. In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist der Begriff vergleichbar dem beweglichen Anlagevermögen umschrieben. Hier wird abzuwarten sein, welche Wirtschaftsgüter letztlich hiervon erfasst sein werden. Insbesondere, ob auch Betriebsvorrichtungen, die Gebäudebestandteil sind, steuerrechtlich aber als beweglich gelten, umfasst sind. Dies beträfe beispielsweise die Apothekeneinrichtung oder Kommissionierautomaten.
  • Bonpflicht: Auf die verpflichtende Ausgabe von Kassenbons soll verzichtet werden. Ab welchem Zeitpunkt, ist noch nicht geregelt. Achtung: Es bleibt zurzeit bei der Ausgabepflicht von Kassenbons. Erst wenn eine Gesetzesänderung in Kraft getreten ist, können Prozesse im Unternehmen umgestellt werden.
  • Steuerliche Anreize für Mehrarbeit: Überstundenzuschläge, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, werden steuerfrei gestellt, um Mehrarbeit attraktiver zu machen. Was das für Apotheken bedeutet: Es bleibt die genaue Gestaltung des Gesetzes abzuwarten. Es wird seitens des Gesetzgebers nicht gewollt sein, mit bewusst gesteuerter Mehrarbeit einen Teil des Gehaltes in unbegrenzter Höhe steuerfrei zu stellen oder somit Gehaltserhöhungen zu steuern. Es könnte hier vielleicht mit betragsmäßigen Obergrenzen oder Arbeitsgruppen gearbeitet werden. Für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit regelt bereits jetzt das Einkommensteuergesetz* teilweise Steuerbefreiungen für Angestellte, um diese Arbeitszeiten attraktiver zu gestalten.
  • Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit regelt § 3b EStG