Was ist erlaubt: Rechtliche Vorgaben bei Stellenanzeigen und im Vorstellungsgespräch
Sind Ihre Stellenanzeigen mittelbar benachteiligend? Sogar typische Formulierungen wie »Berufserfahrung«, »belastbar« oder »mobil und flexibel« können als Benachteiligung wegen des Alters oder einer Behinderung ausgelegt werden.

Welche rechtlichen Vorgaben gelten im Hinblick auf die Inhalte und Formulierungen in Stellenanzeigen? Dürfen Arbeitgebende in Vorstellungsgesprächen alles fragen, was ihnen wichtig erscheint? Welche Konsequenzen drohen bei Fehlern? Wir geben Ihnen einen kurzen Überblick.
In Deutschland herrscht mittlerweile ein branchenübergreifender Fachkräftemangel. Die »Babyboomer« gehen vielfach in den wohlverdienten Ruhestand, der Arbeitsmarkt wirkt auf einmal wie leergefegt und immer mehr Arbeitgebende haben Schwierigkeiten, wichtige Positionen mit adäquatem Personal zu besetzen. Umso wichtiger sind daher nicht nur attraktive Angebote, sondern ebenso ansprechende und aussagekräftige Stellenanzeigen, insbesondere auch in den global erscheinenden Social Media Kanälen. Wenn hierbei allerdings Fehler gemacht werden, kann dies mit weitreichenden Konsequenzen verbunden sein, denn nicht nur tatsächlich Betroffene, sondern auch die sogenannten»AGG-Hopper«, könnten mit erheblichen Entschädigungsund Schadensersatzansprüchen auf die Arbeitgebenden zukommen. Es gilt daher Fehler zu vermeiden.
Unmittelbare Diskriminierung vermeiden
Bei der Formulierung von Stellenanzeigen sind stets die Vorgaben des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. So dürfen Arbeitnehmende nicht aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, benachteiligt werden. Fehlerhaft formulierte Stellenanzeigen könnten daher Anlass bieten, dass bestimmte Arbeitnehmende oder Gruppen nicht bei der Besetzung berücksichtigt werden sollen und mithin eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes vorliegt. Die Formulierung »körperlich ohne Einschränkung leistungsfähig« kann nach der Rechtsprechung beispielsweise auf eine Benachteiligung behinderter Menschen schließen und folglich einen Verstoß gegen § 1 AGG auslösen. Auch eine Benachteiligung wegen des Alters ist grundsätzlich unzulässig. Stellenanzeigen sollten daher stets altersneutral formuliert werden. Altersbeschränkungen für die konkrete Stelle (bis oder unter) sind zu vermeiden, ebenso können Formulierungen wie »mehrjährige Berufserfahrung« oder sogar »Hochschulabsolventen« für eine Altersdiskriminierung sprechen.
»Digital Native« ist altersdiskriminierend
Erst kürzlich entschied das Landesarbeitsgericht Baden- Württemberg, dass die Beschreibung »Als Digital Native fühlst Du dich in der Welt der Social Media, […] zu Hause« altersdiskriminierend ist. Eine entsprechende Begründung lieferte das Gericht gleich mit: »Digital Native« beschreibe eine Generation von Menschen, welche mit digitalen Technologien, wie Computern, dem Internet und anderen mobilen Geräten aufgewachsen sei. Der Verdacht, so das Gericht, liege folglich nahe, dass der Arbeitgebende ausschließlich die jüngere Generation mit dieser Anzeige ansprechen wollte. Sicher wäre hier auch eine entgegenstehende Auslegung möglich gewesen, das Beispiel zeigt jedoch eingehend, wie,sorgfältig bei der Wortwahl vorgegangen werden sollte.
Für viele Arbeitgebende eher nachvollziehbar mögen noch Begrifflichkeiten wie »deutschstämmige Mitarbeiter«, »Deutsch als Muttersprache« oder beispielsweise »Italiener« sein, da hier insoweit sehr deutlich eine Differenzierung aufgrund ethnischer Herkunft und damit eine Ungleichbehandlung zum Ausdruck kommt. Weiter sollten auf das konkrete Geschlecht schließende Formulierungen, wie »Wir suchen eine Approbierte…«, vermieden werden. Vielmehr sollte nach Möglichkeit immer geschlechtsneutral formuliert werden oder die geschlechtlichen Formen (weiblich/männlich/divers) explizit benannt werden.
Mittelbare Diskriminierung vermeiden
Vom Gesetz geschützt werden im Übrigen nicht nur die unmittelbaren Benachteiligungen, sondern ebenso mittelbare Benachteiligungen. So können Formulierungen wie »Berufserfahrung«, »belastbar« oder »mobil und flexibel« für eine Benachteiligung wegen des Alters oder einer Behinderung sprechen. »Unser junges und dynamisches Team sucht…« kann ebenfalls zu einer mittelbaren Alters- und Behindertendiskriminierung führen. Und: Das Ausschreiben
einer »Vollzeitstelle« kann eine mittelbare Benachteiligung gegenüber oft in lediglich Teilzeit arbeitenden Frauen darstellen. Vorsicht ist hier folglich die »Mutter der Porzellankiste«.
Erlaubte Ungleichbehandlung
Eine gegebenenfalls vorliegende Ungleichbehandlung nach vorstehenden Grundsätzen kann in Ausnahmefällen aber auch gerechtfertigt sein und damit keine weiteren Konsequenzen auslösen. So ist beispielsweise nach den gesetzlichen Vorgaben eine Ungleichbehandlung immer dann zulässig, wenn damit bestehende Nachteile ausgeglichen oder verhindert werden. Dies trifft regelmäßig auf die Gleichstellungsförderungsowie die besondere Förderung von Schwerbehinderten zu. Schließlich ist eine Ungleichbehandlung ebenso möglich, wenn »die Art der auszuübenden Tätigkeit oder die Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist«. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn speziell notwendige Kenntnisse oder körperliche Voraussetzungen für eine bestimmte Tätigkeit notwendig sind. Das Gesetz erlaubt sogar die Ungleichbehandlung wegen des Alters, eine solche muss allerdings »objektiv und angemessen und durch ein legitimes
Ziel gerechtfertigt« sein.
Im Vorstellungsgespräch
Die Stellenanzeige ist rechtskonform erstellt, Bewerbungen sind ausreichend eingegangen, nun folgt das Auswahlverfahren, insbesondere das Vorstellungsgespräch. Ziel ist hier vorrangig das gegenseitige Kennenlernen und die Feststellung der fachlichen und persönlichen Eignung
der Bewerbenden. Je mehr Information die Arbeitgebenden hier bekommen, desto sicherer kann eine adäquate Auswahl getroffen werden. Es wird folglich viel gefragt und viel geantwortet. Aber welche Fragen sind erlaubt? Und welche Antworten müssen gegeben werden?
Grundsätzlich gelten auch hierbei die Maßgaben des AGG, zudem müssen die Arbeitgebenden ein sogenanntes »berechtigtes Interesse« im Hinblick auf die konkret begehrte Auskunft haben. Fragen im Zusammenhang mit den im Gesetz geschützten Rechtsgütern (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) sind in der Regel unzulässig. Nicht erlaubt sind daher Fragen nach dem Lebensalter,
dem Familienstand, einer bestehenden Schwangerschaft, der ethnischen Herkunft, aber auch der Gewerkschaftszugehörigkeit. Ohne Einschränkung zulässig sind hingegen Fragen zum beruflichen Werdegang, etwa bestehenden Wettbewerbsverboten oder einer gegebenenfalls zukünftig drohenden Inhaftierung. Dagegen darf zu eventuell vorliegenden Vorstrafen nur befragt werden, wenn die Straftat eine Relevanz für die konkrete Tätigkeit aufweist (wie etwa BTM-Vorstrafe/ Tätigkeit in Apotheke oder Praxis).
Ebenso lediglich eingeschränkte Fragerechte wurden den Arbeitgebenden von der Rechtsprechung im Hinblick auf die privaten Vermögensverhältnisse, die Religion, eine bestehende Behinderung, laufende Lohnpfändungen sowie bestehende Krankheiten, zugestanden. Nach den privaten Vermögensverhältnissen darf beispielsweise nur gefragt werden, wenn es sich um die Besetzung einer Führungsposition (Geschäftsführung) handelt. Ebenso muss Auskunft über bestehende Lohnpfändungen erteilt werden, wenn diese nicht nur geringfügig sind. Über Krankheiten oder Behinderungen muss nur Auskunft erteilt werden, wenn aufgrund der konkreten Notwendigkeiten Zweifel an der Eignung bestehen, oder andere Menschen gefährdet werden könnten (zum Beispiel ansteckende Erkrankung).
Verstöße gegen die vorgenannten Grundsätze können nicht unerhebliche Folgen für die Arbeitgebenden auslösen.
Das AGG sieht neben Beschwerde- und Leistungsverweigerungsrechten, auch Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmenden vor. Im Rahmen dessen ist der gesamte aus der Benachteiligung herrührende Vermögensschaden zu ersetzen, dies können entgangener Lohn, Rechtsanwaltskosten, Reisekosten und sonstiger finanzieller Aufwand der Betroffenen sein. Eine Obergrenze ist diesbezüglich nicht festgelegt. Des Weiteren drohen Entschädigungszahlungen in Form von »Schmerzensgeld«, wobei die Höhe der Entschädigung nur für den Fall auf drei Monatsgehälter begrenzt ist, wenn der Betroffene auch ohne den Verstoß nicht eingestellt worden wäre. Nicht zuletzt kommt es in prozessualer Hinsicht zu einer sogenannten Beweislastumkehr. Die Arbeitgebenden haben mithin zu beweisen, dass entweder keine Benachteiligung nach dem AGG vorgelegen hat oder eine solche gerechtfertigt gewesen ist (erlaubte Ungleichbehandlung). Im Hinblick auf unerlaubte Fragen im Vorstellungsgespräch haben die Arbeitnehmenden zudem ein »Recht zur Lüge«. Die Fragen müssen folglich nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden und wegen einer solche Lüge darf den Arbeitnehmenden keinerlei Nachteilerwachsen.
Fazit
Festzustellen ist, dass viele Stellenanzeigen fehlerhaft sind, ebenso werden in Vorstellungsgesprächen regelmäßig unzulässige Fragen an die Bewerbenden gerichtet. Dies passiert ganz sicher in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht bewusst bzw. ist auch nicht immer gewollt. Viele »AGGHopper « nutzen allerdings diese Schwachstellen und haben mitunter auch Erfolg damit. Beim AGG-Hopping handelt es sich um Scheinbewerbungen, Ziel ist hier nicht, die Arbeitsstelle zu besetzen, sondern vielmehr die Aussicht auf Entschädigung, aufgrund vermeintlicher Diskriminierung. Vor diesem Hintergrund erscheint es umso wichtiger, sich eingehend mit den rechtlichen Vorgaben zu beschäftigen und in der Praxis umzusetzen.
Checkliste für Stellenanzeigen
1. Diskriminierung/ Ungleichbehandlung vermeiden:
- Keine Benachteiligung aufgrund der im AGG genannten Merkmale (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexuelle Identität).
- Altersneutrale Formulierungen verwenden.
- Nach Möglichkeit keine Begriffe oder Anforderungen verwenden, welche dahingehend ausgelegt werden können, dass nach bestimmten Merkmalen differenziert wird, also bestimmte Gruppen oder einzelne Menschen von einer Stellenbesetzung ausgeschlossen sein sollen (Merkmalsneutralität).
- Geschlechtsneutrale Begriffe verwenden oder alle Geschlechter explizit benennen (weiblich/männlich/ divers).
- Keine Fotos anfordern
2. Erlaubte Ungleichbehandlung:
- Ungleichbehandlung ist zulässig, wenn bestehende Nachteile ausgeglichen oder verhindert werden.
- Ungleichbehandlung wegen des Alters ist zulässig, wenn sie objektiv und angemessen ist und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt wird.
- Ausführliche Dokumentation des Ausschreibungsund Bewerbungsverfahrens ist zu empfehlen.
Checkliste für Vorstellungsgespräche
1. Unzulässige Fragen:
- Keine Fragen zu Lebensalter, Familienstand, bestehender Schwangerschaft, ethnischer Herkunft oder Gewerkschaftszugehörigkeit.
- Keine Fragen zu privaten Vermögensverhältnissen, Religion, bestehender Behinderung, laufenden Lohnpfändungen oder bestehenden Krankheiten, außer bei berechtigtem Interesse im Hinblick auf die konkrete Tätigkeit.
2. Zulässige Fragen:
- Fragen zum beruflichen Werdegang, bestehenden Wettbewerbsverboten oder zukünftig drohender Inhaftierung.
- Fragen zu Vorstrafen, wenn die Straftat eine Relevanz für die konkrete Tätigkeit aufweist.
3. Konsequenzen bei Verstößen:
- Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmenden.
- Beweislastumkehr: Arbeitgebende müssen beweisen, dass keine Benachteiligung vorlag oder gerechtfertigt war
- Recht zur Lüge: Arbeitnehmende dürfen unerlaubte Fragen nicht wahrheitsgemäß beantworten.