Nach dem eRezept jetzt KI in der Apotheke?

Künstliche Intelligenz hält Einzug in Alltag und Berufsleben. Wie verändern sich die Rahmenbedingungen und welche Handlungsoptionen haben Apotheken?

04. Dezember 2023
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Dr. Peter Froese, Vorsitzender des Treuhand-Verbandes Deutscher Apotheker e.V., setzte auf dem Treuhand DIALOG den ersten wichtigen Impuls und analysierte die Chancen und Risiken von KI im Apothekenalltag.   

Diese Entwicklung läuft, wie immer ohne uns zu fragen. KI ist seit einiger Zeit das Thema aus dem Hypecycle. LLMs, also »große generative Sprach- und Bildmodelle«, Large Language Models, halten Einzug in Alltag und Berufswelt. Warum eigentlich gerade jetzt?

Nicht unbedingt die Software oder die Algorithmen haben fulminante Fortschritte gemacht. Durch gigantische Prozessoren und spezialisierte Rechenleistung ist es möglich geworden, in wirtschaftlich vernünftigen Dimensionen Milliarden von Seiten zu lesen, zu analysieren und zu speichern. Das macht den Unterschied. Deswegen investieren große Konzerne gerade jetzt gewaltige Geldsummen, um sich als Maschinenraumbetreiber der KI-Zunft zu etablieren.

Wichtig für uns ist es, zu wissen, dass die »Großen« jedem, der es bezahlen kann und will, Zugang zu diesem »Maschinenraum« gewähren. Die Anwendungen der KI können also von jedermann auf den Markt gebracht werden. Das erzeugt wie in einem Schneeballsystem eine ganze Flut an sekundären Anwendungen und Geschäftsmodellen, die plötzlich an jeder Ecke auftauchen: von selbstprogrammierenden Maschinen über Deep­fakes, bis in Betriebssysteme integrierte KI und Anwendungen, die durchaus in direktem Wettbewerb mit unserem wissensgetriebenen Geschäftsmodell stehen können.

Das Weltwissen wird eingelesen

LLMs sind keine Datenbanken und auch keine Suchmaschinen. Sie sind auf ihre Art sehr leistungsfähig, bestehen mittlerweile zu 90 Prozent die Examensfragen in Medizin- oder Steuerberaterprüfungen, haben aber keinen »gesunden Menschenverstand« und keine »verstehende Intelligenz« – zumindest noch nicht. KI wird jedoch jeden Tag schlauer. Bedroht uns diese Technologie? Wir sind ja Wissensberufe. Das notwendige Sachwissen bilden die LLMs bereits ab, in kurzer Zeit sicher besser als jeder von uns. Das wird kombiniert mit in ihrer Perfektion kalter, aber beim ersten Hinhören menschlich empfundener Kommunikationsfähigkeit. So manches LLM wirkt darum um 4 Uhr morgens einfühlsamer als die Apothekerin an der Notdienstklappe.

Die unangenehme Wahrheit: Wir können in vielen Funktionen gnadenlos ersetzt werden.

Mit jedem Tag ein bisschen klüger. Der verständliche Ausruf nach Verboten oder Regulation (Stichwort Medizinprodukteverordnung) verhallt mindestens in den USA und China ungehört und birgt die Gefahr, uns von der Entwicklung abzukoppeln. Internet und Wissenstransfer sind grenzenlos. Geschlossene Wissensbunker finden wir höchstens in der pharmazeutischen Industrie, alles andere – einschließlich das Wissen um die pharmazeutische Praxis –, ist offen verfügbar.

Was also tun? Dafür müssen wir uns anschauen, welche Daten von uns als erstes erzeugt werden. Also »Primärdaten«. Lassen Sie uns sorgfältig analysieren, an welcher Stelle unsere Berufe Primärdaten für alles, was »dahinter« und »daraus« folgt, erzeugen. Und dann überlegen, wie wir auf Basis dieser primär erzeugten Daten komplexe und werthaltige Leistungen in Apotheke oder Kanzlei anbieten können. Denn nur durch eigenes, produktives Handeln können wir das Werkzeug KI dorthin bewegen, wo es hingehört: in die Hand des verantwortlich handelnden freien Berufs.

Bei diesen gewaltigen Herausforderungen zählt gemeinsames, schnelles aber auch sorgfältiges Handeln. Hier müssen wir konsequent als Branche denken. Gemeinschaftlich getragene und direkt beherrschte Strukturen sind von fundamentaler Bedeutung – gerade bei Trainings- und Verfeinerungsfunktionen oder der Frage wer und wie diese Dienste genutzt werden. KI ist ein mächtiges Instrument, aber letztendlich nur ein Werkzeug. Lassen Sie uns gemeinsam diese Chancen nutzen und losgehen – ohne die Risiken zu ignorieren.

Teilnehmerstimmen

»Das ist mein erster DIALOG und ich finde das Zusammenspiel der Themen Künstliche Intelligenz, Marketing, Fußball und Apotheke äußerst gelungen. Auch den anderen Blickwinkel auf unsere Themen und dazu den menschlichen Austausch finde ich wichtig. Das Thema KI und generell eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sind für weitere Veranstaltungen sehr spannend.«
Dr. Philip Brandt, Stadt-Apotheke in Torgau

  • Dr. Peter Froese

    Vorsitzender des Treuhand-Verbandes Deutscher Apotheker e.V.